Vertrauen: Fundament für ein starkes Miteinander

Ein solides Fundament aus gegenseitigem Vertrauen ist entscheidend für eine gesunde kindliche Entwicklung.

Vertrauen Sie Ihren Kindern? Und vertrauen Ihre Kinder Ihnen? Nur wenn sowohl die Eltern als auch der Nachwuchs sicher sind, dass sie sich auf den jeweils anderen verlassen können, ist der optimale Grundstein für die kindliche Entwicklung gelegt.

Warum? Ganz einfach: Lernen ohne Vertrauen ist nicht möglich. Denn im Gegensatz zu den Tieren kann sich der Mensch nicht auf den Instinkt verlassen. Wissen muss erworben, Verhalten erlernt werden. Gleichzeitig müssen kindlichem Entdeckungsdrang aber auch Grenzen gesetzt werden. Alleine auf die Straße gehen ist nicht erlaubt – weil es gefährlich ist, weil da Autos sind. Allerdings: Vertrauen hat immer auch mit Loslassen zu tun. Du musst mir nicht immer und zu jedem Zeitpunkt die Hand geben – denn ich vertraue dir, dass du dich richtig verhältst.

Eigene Meinung bilden lassen

Vertrauen ist aber nicht gleichzusetzen mit einem Käfig aus Regeln, an die das Kind sich halten muss. Denn wenn jeder Aspekt des Lebens reglementiert ist, dann erdrückt das die Neugierde und die Möglichkeit des Kindes zur Selbstentfaltung. Aus Sorge um das Wohlergehen ihres Kindes neigen Eltern leider gerne dazu, zu versuchen, sie vor jeder negativen Erfahrung zu schützen. Allerdings ist das kontraproduktiv – denn der Wert von Vertrauen muss auch demonstriert werden. Das heißt nicht, dass man den Nachwuchs eben einmal auf die heiße Herdplatte greifen lassen soll, um den Wert des entsprechenden Verbots zu demonstrieren. Aber nur wer auch ab und zu die Konsequenzen unvorsichtigen Handelns vor Augen geführt bekommt, kann echtes Vertrauen fassen – blindes Vertrauen hingegen schränkt ein, denn es macht abhängig von der Meinung anderer.

Mache ich etwas falsch?

Haben Sie das Gefühl, Ihr Kind vertraut Ihnen nicht? Überlegen Sie einmal: Halten Sie gemachte Versprechen ein? Wer regelmäßig gelobt, sich da und dann Zeit für das gemeinsame Spiel zu nehmen, das Kind dann aber immer vertröstet, darf sich nicht wundern, wenn das Vertrauen nach und nach verloren geht. Insbesondere wenn Abmachungen getroffen werden – „Du räumst deine Lego-Steine jetzt weg, dafür spielen wir dann am Abend weiter damit!“ – fühlen sich Kinder verraten, die Folgen sind ein Vertrauensverlust und möglicherweise Ungehorsam. Seien Sie daher realistisch mit Ihren Versprechungen, und besonders wichtig: Sprechen Sie sich mit anderen Erziehungspersonen ab.

Vertrauen bedeutet auch, über Dinge reden zu können. Geben Sie ihrem Kind stets die Gelegenheit, Sie um Hilfe zu bitten, und verunsichern Sie es nicht mit Ihren eigenen Erwartungen bezüglich seiner Entwicklung. Das ist nicht nur kontraproduktiv, sondern kann Vertrauen in etwas Negatives umwandeln – nämlich wenn Ihr Kind Angst hat, Ihr Vertrauen zu enttäuschen. Schlussendlich: Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit. Springen Sie öfters einmal über Ihren eigenen Schatten, und erlauben Sie ihrem Kind, seine Grenzen auszuloten – natürlich unter Aufsicht. Wer nicht das Gefühl hat, Vertrauen entgegengebracht zu bekommen, der ist auch nicht bereit, es zu geben.

Vertrauen zu anderen

Sind Mama und Papa in der frühen Kindheit noch ständige Begleiter, müssen Eltern ihre Kinder spätestens mit dem Eintritt in den Kindergarten auch einmal in fremde Hände übergeben. Ein Schritt, der oft schwerfällt – sowohl den „Kleinen“ als auch den „Großen“. Plötzlich soll da einer bis dato unbekannten Person vertraut werden – das fällt umso schwerer, wenn das Vertrauensverhältnis zu den Eltern selbst etwas im Argen liegt. Vertraut das Kind hingegen den Eltern, und sieht wiederum, dass diese Vertrauen in die Erzieherin haben, fällt es viel leichter, sich auf dieses neue Verhältnis einzulassen. Ein dramatischer Abschied an der Kindergartenpforte, bei dem die Eltern ihren Sprössling nicht gehen lassen wollen, wäre im Gegensatz völlig kontraproduktiv.

Hat das Kind bisher die Erfahrung gemacht, offen über seine Sorgen reden zu können, hilft das auch dabei, sich bislang Fremden gegenüber schneller zu öffnen – so entstehen erste Freundschaften und Vertrauensverhältnisse zu Nicht-Familienmitgliedern.

Trotzdem ist es nicht ungewöhnlich, wenn aller Anfang schwerfällt; daher bieten viele Kindergärten auch Schnuppertage und Informationsgespräche an, bei denen Kinder die ErzieherInnen schon im Vorfeld kennenlernen können.

Nicht alle Menschen sind gut

Viele Eltern fürchten, ihren Kindern könnten furchtbare Dinge geschehen, wenn sie sie nur einen Augenblick aus den Augen lassen, und konsequent wird vielen jungen Menschen eingebläut, bloß nicht mit Fremden zu sprechen, denn hinter jedem Passanten könnte sich ein Entführer verbergen.

Einmal ganz abgesehen davon, dass derartige Straftaten unglaublich selten sind (wohingegen sich z.B. schwere Verletzungen durch Autounfälle, bei denen das Kind nicht ordnungsgemäß in einem Kindersitz angeschnallt war, regelmäßig ereignen), ist so eine Sorge nicht völlig unberechtigt. Denn jeder, der schon einmal in irgendeiner Situation von einem Fremden überrumpelt wurde, weiß, dass man auf eine gute Geschichte leicht hineinfallen kann. Wer Kindern aber schlicht einbläut, dass Fremde stets potentielle Verbrecher sind, verursacht damit zwangsläufig kognitive Konflikte, wenn später auf den Erzieher oder die Lehrerin gehört werden soll. Außerdem wird das Vertrauensverhältnis in Frage gestellt – wenn das Kind z.B. bemerkt, dass der Vater einer Freundin nicht nur ein Fremder, sondern auch ein netter Kerl ist. Viel besser ist es, Regeln für konkrete Situationen aufzustellen. Eine relativ neue Empfehlung von Experten ist das „Passwortsystem“: Wenn dir jemand sagt, die Mama will, dass du mit ihm mitkommst, dann frag ihn nach dem Geheimwort. Das wird vorher mit dem Kind ausgemacht – z.B. der Name des Haustiers. Eine derartige Reaktion bringt nicht nur Übeltäter in spe aus dem Konzept – gleichzeitig kann in enem echten Notfall auch ein anderer Mensch wie z.B. die Nachbarin oder ein Arzt zur Vertrauensperson werden.

Vertrauensbrüche

Wenn Kinder älter werden, bringt das zumeist auch Vertrauensbrüche mit sich. Oft sind daran beide Parteien gleichermaßen schuld – die Kinder, die nicht mehr als solche angesehen werden wollen, und ihre Grenzen austesten, sowie die Erwachsenen, die Regeln nicht an die Entwicklung ihrer Sprösslinge anpassen.

Eltern sind dabei stets gefordert, sich den Spiegel vorzuhalten, und sich zu fragen: Um wen geht es hier wirklich? Denke ich an das Wohl meines Kindes, oder geht es hierbei um mich? Wer zum Beispiel makelloses Verhalten in der Öffentlichkeit einfordert, um als kompetente Erziehungsperson dazustehen, vermittelt seinem Kind: Du bist keine eigenständige Persönlichkeit. Gegenreaktionen sind da nicht nur wahrscheinlich, sondern sogar angebracht. Und mit Verlaub: Wer erwartet schon, dass der Sohn oder die Tochter dem dreistündigen Kaffeeklatsch mit Freunden stillschweigend und ruhig sitzend beiwohnt?

Wer seinem Kind „Ich vertraue dir, dass du dich benimmst“ sagt, der sollte stets auch immer in Gedanken die Erwiderung hören: „Und ich vertraue dir, dass du auf meine Bedürfnisse Rücksicht nimmst“.

Wird Vertrauen einseitig gebrochen, oder halten sich Kinder nicht an unbedingt notwendige Regeln, so ist es aber durchaus angebracht, mit Bestrafungen zu arbeiten. Das sollte niemals willkürlich geschehen: Kindern einfach Dinge wegzunehmen, die ihnen wichtig sind, wie z.B. Fernseher- oder Computerentzug, ist bloße Schikane. Bestrafungen sollten ursächlich mit dem Fehlverhalten zusammenhängen, also beispielsweise: Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass du von dir aus pünktlich von deinem Freund weggehst und heimkommst, also muss ich bei seinen Eltern anrufen, auch wenn dir das peinlich ist. Oftmals sind derartige Strafandrohungen, die vom Kind unerwünschtes soziales Feedback hervorrufen, weit wirksamer als „konventionelle“ Strafen.

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